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Modest Menzinsky

Modest Menzinsky im londoner Covent Garden in 1905Geboren 29. April 1875 in Nowosiolsk, Ostgalizien
Gestorben 11. Dezember 1935 in Stockholm, Schweden

1903 gastierte die berühmte finnische Sängerin Aino Ackté an der Stockholmer Oper. Ihr Partner im "Lohengrin" war der als Liebling vom Stockholmer Publikum gefeirte Arvid Ödman, der dreißig Jahre dieser Bühne treu gedient hatte. Doch so erprobt er sein mochte, er konnte doch nicht mit der temperamentvollen Sopranistin Schritt halten, sondern erklärte sich für indisponiert. Die Vorstellung mußte gerettet werden un in ihrer Not suchte die Operndirektion telegraphisch nach einem Ersatz. Vom Stadttheater in Elberfeld kam endlich eine positive Antwort; seit gut einem Jahr hatte man dort einen jungen Tenor: Modest Menzinsky. Dieser wurde mit Blitzesschnelle herbeigeholt und gab an der Nationaloper seiner zukünftigen Heimat am 24. Oktober 1903 sein Debut.

In der Literatur über ihn findet man meist eine falsche Nationalitätsangabe und der Grund dafür ist wohl sein Geburtsort, Nowosiolsk, im westlichen Teil der heutigen Ukraine. Modest Menzinsky war österreichischer Staatsbürger; als er am 29 April 1875 geboren wurde, gehörte dieser Teil nördlich der Karparten, der Galizien gennat wurde, bereits seit fast hundert Jahren zur Donaumonarchie. Haupstadt dieser Provinz war Lemberg, die nach 1919 polnisch wurde und als neuen Namen Lwów erhielt; jene Bezeichnung behielt man auch bei, als die Gegend der Sowjetunion einverleibt wurde.

Menzinskys Vater und seine männlichen Vorfahren waren Priester der griechisch-katholischen Kirche, die hier ihren östlichen Außenposten hatte. Auch Modest war darauf eingestellt, in die Fußtapfen seiner Ahnen zu treten und schloß sein Theologiestudium nach drei Jahren an der Universität in Lemberg erfolgreich ab. Er war der einzige Sohn in der Familie mit sechs Kindern, man war sehr arm um zu überleben, sang und spielte in der Restaurants der Stadt. Daneben ditigierte er auch den Studentenchor, dessen Repertoire auf der Schriften-Sammlung des Vaters Emile Menzinsky aufbaute und schließlich wurde er sich seiner schönen Tenorstimme uns seiner musikalischen Begabung bewußt. Seit 30 Jahren lag der Schwerpunkt des polnischen Opernlebens in Lemberg. Parallel zu seinem Theologiestudium begann Modest bei Walerian Wysocky mit dem Gesangsunterricht und jener Lehrer konnte immerhin zu seinen Schülern Salomea Kruszelnicka, Elena Zboinska-Ruskowska, Janina Korólewicz-Wayda, Maria Moscisca, Adam Didur und Josef Mann rechnen.

Modest Menzinsky war nicht als einziger in seiner Familie musikalisch begabt: der Vater wurde bereits erwähnt, ein Vetter - Alexander Nosalewicz - landete als Baß an der Oper in Wiesbaden und es gab auch verwandschafliche Bande mit der Familie Kolessa, der ein Komponist, ein Konzertpianist und schließlich ein Musikethnologeangehörten, letzterer war Assistent bei Béla Bartók.

Von seinem Gesangslehrer wurde Modest Menzinsky dazu ermuntert, sich für den Gesang zu entscheiden.Im Herbst 1899 verließ er Lemberg und fuhr nach Frankfurt am Main, wo zu dieser Zeit der damals 73jährige Julius Stockhausen am Konservatorium unterrichtete, wenngleich fast erblindet und durch dir Gicht an der Rollstuhl gefesselt, so doch mit unverminderter Kraft.

Stockhausen hatte 1850 Manuel García d.J. besucht und dieser war ja der erste moderne Gesangspädagoge. Modern in dem Sinn, daß er eine Methode entwickelte, um das Volumen und den Tonumfang - besonders bei Tenören - zu vergrößern. Dies geschah durch bestimmte Gesangsformanten mit besonders guten Resonanzeigenschaften, der Nachteil war, daß die García-Methode auf den französischen Vokalen aufbaute, was die Aussprache in anderen Sprachen korrumpierte. Stockhausen ist es nun zu verdanken, daß er für die deutsche Sprache Äquivalente fand und dadurch in der Ñage war, mit bewußt deutsch gefärbten Vokalen herausragende, kraftvolle und stabile Stimmen aufzubauen, dene es keine Mühe machte, selbst ein großes Wagner-Orchester zu übertönen.

Georg Anthes (1863-1923), Cornelis Brongeest (1878-1957), Baptist Hoffmann (1864-1937), Anton van Rooy (1870-1932) und Karl Scheidemantel (1859-1923) - das sind nur einige von jenen deutschen und holändischen Sängern, die ihre Wagner-Erfolge der Technik von Stockhausen zu verdanken hatten. Doch war dies auch eine Schule für den innerlichen Gesang, für die textbewußte Liedinterpretation. Stockhausen war selbst zu seiner Zeit der wohl hervorragenste Schumann- und Brahms-Interpret und es ist kaum wunderlich daß Meister wie Raimund von Zur Mühlen (1854-1931)uns Anton Sistermans (1865-1926) die Funken der Stimmenschmiede des Juluis Stockhausen verwalteten.

Modest Menzinsky studierte vier Jahre (1899-1903) bei Stockhausen und war also gerade mit seiner Ausbildung fertig, als er in Stockholm gastierte. Zum allerletzten mal stand er am 18-9-1901 auf der Bühne, das war jedoch in der Frankfurter Oper und damals sang er den Lyonel in Flotows "Martha". Sein Repertoire konzentrierte sich auf die lyrischen Partien aus französischen und italienischen Opern - "Faust", "La Juive", "Aida", "Trovatore" - aber doch auch einzige Wagner-Rollen - "Lohengrin", "Tannhäuser" (mit 165 Vorstellungen war dies seine meist gesungene Partie), "Meistersinger" und "Walküre". Und überall wo er sang, versuchte man, in fester an die jeweilige Bühne zu binden.

Modest Menzinsky als SiegfriedDas Debut in Frankfurt mündete in einem einjährigen Vertrag; danach kam Ebelfeld, wo er zwei Jahre blieb und seine Studien beendete. Cosima Wagner hörte ihn, widmete sich ihm für eingehenden Werkanalysen und empfahl ihn schließlich nach Karlsruhe, der dortige GMD war Felix Mottl, einst Wagners Assistent und dann Cosima Wagners rechte Hand in Bayreuth. Doch erst die Stockholmer Oper konnte ihn zu einem festeren Engagement verplichten, das sich über sechs Jahre erstreckte (1904-1910) und nur für die Saison 1908/1909 unterbrochen wurde, Eine sicher nicht unwesentliche Ursache mit dafür war daß seine künftige Ehefrau Clari Dehn aus Stockholm war, 1905 heirateten beide. Dank seiner Sprachbegabung lernte er schnell schwedisch; so sang er auf schwedisch den Florestan im "Fidelio", Erik im "Fliegenden Holländer", Othello und Masaniello in "Die Stumme von Portici", er übernahm den Siegfried in den beiden schwedischen Ertsaufführungen, am 12-12-1905 wurde er im "Siegfried" bejubelt und auch nach der "Götterdämmung" am 28-2-1907 nahm der Entusiasmus des Publikums kein Ende.

Modest Menzinsky als TristanSolch eine Kapazität konnte man natürlich auf die Dauer nicht halten, wenngleich er 1910 schwedischer Staatsbürger wurde. In harter Konkurenz mit Berlin, wo er im August1908 "Bajazzo", "Lohengrin" und "Tannhäuser" sang und gleichzeitig eine Probeaufnahme für die Schallplatte machte, gelang es der Oper in Köln, im Herbt 1910 Menzinskys begehrte Unterschrift unter einen Vertrag zu bekommen. Nach einem Wagner-Gastspiel in Wien im Frühjahr 1914 lockte nun sogar die Hofoper, doch er blieb Köln bis 1926 treu, dann verließ er - mit eigenen Ausnahmen - für immer die Opernbühne. Seine letzte letzte Rolle war die des Eleazar in Halévys "La Juive" (am 29-10-1927); insgesamt sang er 53 Partien in verschidenen Sprachen. Darunter waren zahlreiche zeitgenössische Opern, unter anderem von Hans Pfitzner "Der arme Heinrich" (1912), "Die Rose vonm Liebesgarten" (1916/17) und "Palestrina" (1920/23), von Franz Schreker "Die Gezeichneten" (1920/21), "Der Schatzgräber" (1921/22) sowie die Uraufführung von "Irrelohe" (1924).

Zusammen mit seiner Familie kehrte er nach Stockholm zurück, nun verarmt durch die deutsche Inflation. Seine Schwiegermutter betrieb - seit sie um die Jahrhundertwende herum Witwe geworden war - eine erstklassige Pension, deren Leitung nun zur schweren Aufgabe für die Familie wurde. Modest Menzinsky machte jedich weiterhin Konzerttournéen, meist zusammen mit der Pianistin Ella Conrad. Zwischen diesen Ausflügen auf den Kontinent gab er Gesangsstunden und vermittelte seine reiche Erfahrung.

Von den vielen herausragenden Sänger, die Stunden bei Modest Menzinsky nahmen, sollte man Arne Sunnergårdth (1907-1972) besonders erwähnen - er schuf, in seiner Eigenschaft als Gesangslehrer und später als Professor für Gesang an der Musikhochschule in Stockholm eine herausragende Generation von Opernsängern - Birgit Nilson, Erik Saedén, Helge Brilioth und Kerstin Meyer sind einige von ihnen.

Zusammenfassend kann man wohl die Behauptung wagen, daß während der 40iger, 50iger und 60 Jahre kein Gesangslehrer für die schwedische Oper von so großer Bedeutung war wie Modest Menzinsky, dadurch, daß der Ahnvater für die Gesangsschule von Arne Sunnergårdth war.

Alle seine Schallplatten entstanden während eines begrenzten Zeitraums, Menzinsky war damals etwa 35 Jahre alt und gerade von Stockholm nach Köln umgezogen. Die frühesten Aufnahmen wurden in Stockholm im Februar 1910 gemacht, zu hören sind eine ganze Reihe von ukrainischen (ruthenischen) Liedern, eine Othello-Arie - das Einzige auf schwedisch - sowie zwei Wagener-Ausschnitte. Frau Menzinsky, sie lebte bis 1975, war ihres Mannes fürsorglichste Kritikerin. Sie hörte praktisch alle seine Auftritte und war auch als Zuhörerin dabei, als er seine Platten in Stockholm aufnahm. Sie erzählte, daß die Lieder und die Othello-Arie von dem jungen Nathanael Broman (1887-1966) begleitet wurden, jener wurde wiederum später der erste Musikchef des Schwedischen Rundfunks. Im Rundfunk gab Menzinsky auch sein letztes Konzert, nur wenige Tage vor seinem 59.Geburtstag 1934, dann bekam er eine Gehirnblutung und wurde teilweise gelähmt. Er erholte sich davon, erlitt jedoch eine letzte, tödliche Gehirnblutung amm 11.Dezember 1935.

Modest MenzinskyHochinteressant sind seine ukrainischen Lieder; Menzinsky war der erste, der diese außerhalb der Ukraine sang und man kann annehmen, daß er sie mit den Komponisten zusammen einstudierte. Von Dezember 1908 bis Februar 1909 hatte er nähmlich ein längeres Engagement an der Oper in Lemberg, wo er Ludomir Rózycks "Boleslaw Smialy" uraufführte und außerdem Leoncavall, Wagner, Verdi und Halévy sang. Es erstaunt, daß er für dieses Repertoire eine Art portamento benutzt, ein Gleiten der Stimme, das im jüdischen Kantoral-Gesang üblich war. Aber Lemberg war ja während Menzinskys Jugendzeit ein Auffangbecken für starke jüdische und armenische Zuwanderung. Daß Menzinsky viel von der jüdischen Gesangstradition lernte, dafür ist auch jene Schallplatte ein unbestreitbarer Beweis, die sich in seiner hinterlassenen Plattensammlung befindet: es ist dies die Aufnahme mit dem jüdischen Kantor in Wien, Sawl Kwantin (1874-1952).

In den zwei Wagner-Ausschnitten begleitet die königliche Hofkapelle, wahrscheinlich unter der Begleitung von Hjalmar Meissner.

Die Aufnahmen aus de Berliner Zeit, von 1910 un 1911, umfassen weiteres Material aus de Ukraine sowie einige Opernarien, von denen manche sowohl auf deutsch als auch auf polnisch desungen werden. Wagner wird ganz im Zeitgeist dargestellt, ein energischer Delamtionsstil, direkt und ohne Vibrato, mit einem baritonalen Timbre, das stark an Lauritz Melchior erinnert. Flotow und Mozart behandelt er mit einer anderen, viel leichtern Tonbildung, wohingegegen er in er italienischen Abteilung - zu der Bacarole-Imitation des ukrainischen Volksliedsammlers Jan Karol (1856-1912) definitiv hinzugerechnet werden muß, fast neapolitanische Glut und Hitze demonstriert.

Modest Menzinsky hatte nicht nur eine große und ungewöhnlich schöne Tenorstimme; diese Beispiele mit ihren so unterschiedlichen Stilanforderungen zeigen, daß er auch mit del Intellekt sang, daß er in jedem Augenblick ein bewußter und gewissenhafter Künstler war.

Text von Carl-Gunnar Åhlén


Vokalrecitals (Lieder und Arien) Modest Menzinsky singt Arien bei "jpc Musik à la carte"

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